Scheinunternehmen - Sozialbetrug!
Seit kurzem konzentriert sich die Gesetzgebung verstärkt auf die Bekämpfung von Sozialbetrug. Zu diesem Zweck wurde das sogenannte Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz beschlossen, das seit 01. Jänner dieses Jahres in Kraft ist. Nun wird wohl niemand ernsthaft Einwände gegen die Bekämpfung von Sozialbetrug haben. Dennoch sind einige Regelungen des Gesetzes kritisch zu sehen, da diese sehr leicht auch gesetzestreu agierende Unternehmen in Bedrängnis bringen und weitreichende Folgen haben können.
Sozialbetrug bezeichnet laut Gesetz (etwas sperrig) alle Verhaltensweisen, mit denen Pflichten verletzt werden sollen, die Dienstnehmer, Dienstgeber im Rahmen von Dienstverträgen sowie Bezieher von Versicherungs- und Sozialleistungen zu erfüllen haben. Insbesondere soll der Existenz von Scheinunternehmen entgegengewirkt werden. Diese sind vorrangig darauf ausgerichtet,
- einerseits Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträge oder Entgeltansprüche von Dienstnehmern zu verkürzen sowie
- andererseits Personen durch offizielle Anmeldung als sozialversicherungspflichtige Dienstnehmer den Zugang zu Versicherungs- und Sozialleistungen zu ermöglichen, obwohl diese tatsächlich keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Die Sozialbetrugsbekämpfung ist von einer Vielzahl von Behörden wahrzunehmen (nämlich den Abgabenbehörden, den Gebietskrankenkassen, der BUAK, den Sicherheitsbehörden, den Bezirksverwaltungsbehörden, der Gewerbebehörde, der Arbeitsinspektion sowie dem Arbeitsmarktservice). Hegt eine dieser Behörden den Verdacht, dass ein Scheinunternehmen vorliegt, sind die anderen Behörden zu verständigen und koordiniert bei den weiteren Amtshandlungen (Ermittlungen) vorzugehen.
Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens sind laut Gesetz insbesondere:
- Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse, die die Gebietskrankenkassen im Dienstgeberbereich durchzuführen haben. Dabei werden sämtliche Unternehmen auf Schwarzarbeitsverdacht, Scheinanmeldungen, Versichertenströme, Dienstgeberzusammenhänge, Insolvenzgefahr sowie Melde- und Beitragszahlungsverhalten geprüft.
- Mitarbeiter können an der den Behörden zuletzt bekannt gegebenen Geschäftsadresse nicht angetroffen werden.
- Eine persönliche Kontaktaufnahme zum Unternehmer oder gesetzlichen Vertreter einer im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaft über die den Behörden zuletzt bekannt gegebenen Geschäftsadresse ist nicht möglich.
- Das Unternehmen verfügt nicht über angemessene Betriebsmittel, die für die Ge-schäftstätigkeit erforderlich sind.
- Vorliegen von nicht bloß geringfügigen Rückständen an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung eines Dienstnehmers.
Die angeführten Punkte können im Einzelfall von Zufälligkeiten abhängen, ob eine Behörde von einem Verdacht ausgeht. Zu denken wäre zum Beispiel an Abwesenheiten bei Geschäftsreisen oder Betriebsurlaub. Auch ist zu befürchten, dass sich die Beurteilung von angemessenen Betriebsmitteln durch die Behörden oftmals nicht mit der Auffassung der betroffenen Unternehmen deckt.
Der Verdacht ist dem „Scheinunternehmen“ durch die Abgabenbehörde schriftlich mitzuteilen. Die Zustellung hat primär elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen, sofern sich der Empfänger bei einem elektronischen Zustelldienst angemeldet hat (zB bei Postserver, Österreichische Post, BRZ oder eVersand). Besteht keine Möglichkeit zur elektronischen Zustellung, hat das Finanzamt an die zuletzt bekannt gegebene Adresse bzw. im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift ohne Zustellnachweis zuzustellen. Dabei gilt die Besonderheit, dass die physische Zustellung auch dann bewirkt ist, wenn der Empfänger nicht anwesend ist.
Der Empfänger (der verdächtigte Scheinunternehmer) hat nur eine (1) Woche ab Zustellung Zeit, um beim Finanzamt persönlich Widerspruch zu erheben. Insbesondere kleinere Unternehmen wird diese kurze Frist treffen, wenn der Inhaber oder Geschäftsführer aufgrund einer mehrwöchigen Dienstreise oder Krankheit/Urlaub abwesend ist. Wird kein rechtzeitiger Widerspruch erhoben, wird die Scheinunternehmerschaft mit Bescheid festgestellt (wiederum ohne Zustellnachweis). Widerspricht der Unternehmer binnen einer Woche, hat die Abgabenbehörde ein Ermittlungsverfahren zur Klärung des anfänglichen Verdachts durchzuführen, das am Ende mit Bescheid über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Scheinunternehmerschaft abzuschließen ist. Der rechtskräftige Bescheid ist an alle oben genannten Behörden sowie dem Auftragnehmerkataster Österreich sowie dem Firmenbuchgericht zu übermitteln (sofern das Unternehmen im Firmenbuch eingetragen ist). Das Firmenbuchgericht hat von Amts wegen die Eintragung als Scheinunternehmen vorzunehmen. Zudem hat das Finanzministerium eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens),
https://www.bmf.gv.at/betrugsbekaempfung/liste-scheinunternehmen.html
Gegen den Bescheid des Finanzamtes (ohne oder nach einem Ermittlungsverfahren) kann binnen einer (1) Woche Beschwerde beim Bundesfinanzgericht (nicht beim Finanzamt!) eingebracht werden. Auch diese Frist wurde im Vergleich zur üblichen Beschwerdefrist von einem Monat wesentlich verkürzt, was zu einem erheblichen Rechtschutzdefizit führt.
Durch das Versäumen der äußerst kurz bemessenen Fristen im Rechtsmittelweg können auch gesetzestreu agierende Unternehmen rasch als Scheinunternehmen eingestuft und der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Dass dies eine enorme Beschädigung des Rufes darstellt, die sogar an die Existenz gehen kann, steht wohl außer Zweifel.
Folgen der Feststellung als Scheinunternehmen
Unmittelbare Konsequenz eines rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmens ist, dass das auftraggebende Unternehmen als Bürge und Zahler für das Entgelt der Arbeitsleistungen der im Rahmen der Beauftragung beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer haftet, sofern es im Zeitpunkt der Auftragerteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim auftragnehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelte. Die Begriffe „wissen musste“ wird meines Erachtens im Sinne eines grob fahrlässigen Verhaltens auszulegen sein. Akribische Nachforschungsverpflichtungen sollten aber nicht gefordert werden können, wenn keine objektiv nachvollziehbaren Umstände erkennbar sind, die auf ein Scheinunternehmen hinweisen.
Notwendig ist es aber jedenfalls, sich bei Beauftragung eines Unternehmens durch Einsichtnahme in die die BMF-Liste zu vergewissern, ob eine Feststellung als Scheinunternehmen vorliegt.
Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Risiko besteht in der gesetzlichen Vermutung, dass das auftraggebende Unternehmen als Dienstgeber der beim Scheinunternehmen beschäftigten Dienstnehmer anzusehen ist und damit sämtliche Sozialversicherungsbeiträge zu tragen hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Dienstnehmer des Scheinunternehmens tatsächlich Dienstleistungen erbracht haben, die Gebietskrankenkasse den wahren Dienstgeber jedoch nicht ermitteln kann und der Auftraggeber nicht beweisen kann, dass er von diesen Personen keine Arbeitsleistung erhalten hat.
Aus steuerlicher Sicht besteht zudem für das auftraggebende Unternehmen das große Risiko, dass die Leistungsbeziehung zum Scheinunternehmen vom Finanzamt nicht anerkannt wird und daher der Ansatz von Betriebsausgaben sowie der Vorsteuerabzug verweigert werden.
Es ist zu hoffen, dass die mit der Aufdeckung von Sozialbetrug beauftragten Behörden sich ihrer Verantwortung bewusst sind und mit dem nötigen Augenmaß vorgehen.
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